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Vulkanausbruch spielt der IT-Industrie in die Hände

Eine gute und eine schlechte Nachricht zum Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull, der die europäischen Flugzeugflotten per Aschepartikel-Knockout zu Boden geschickt hat – die schlechte zuerst: Der Vulkan mit dem unhandlichen Namen hat den Passagier- und Frachtfliegern nun schon seit Tagen kontinuierliche Bodenhaftung verordnet, was nicht nur die Airlines und Flughäfen viel Geld kostet, sondern auch die Just-in-Time-Produktion zahlreicher Branchen in eine Much-too-late-Logistik verwandelt, was weitere Einbußen verursacht.

So musste zum Beispiel das BMW-Werk in Dingolfing wegen ganz und gar nicht “in time” gelieferter Elektrobauteile eine Produktion stoppen, und man hörte sogar Gerüchte, in Münchner Schicki-Lokalen könnte der Hummer knapp werden (das Krustentier, nicht der hässliche Geländewagen).

Die gute Nachricht: Da die Flugindustrie laut Analysten für zwei Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich zeichnet, ist die erzwungene Erholungspause laut Klimaforschern letztlich sogar gut für die Umwelt. Dies hat zum Beispiel das britische Blatt The Guardian berichtet, und auf informationisbeautiful.net war auch eine sehr anschauliche Grafik zum Vergleich des CO2-Ausstoßes des Vulkans mit dem der europäischen Luftfahrtindustrie zu finden:

planes_volcanos.png

Bild: http://informationisbeatiful.net

Aber auch auf die IT-Industrie wirkt sich der Vulkanausbruch aus. So habe ich kurz nach der Eruption mit meinen Kollegen in der Redaktion gewettet, dass wir nun einen Schwall von Pressemitteilungen erhalten werden, in denen die Anbieter von Lösungen für Web-Collaboration und Video-Conferencing eilig vermelden: Wer unsere Tools einsetzt, ist jetzt fein raus, weil er nicht auf Flüge angewiesen ist.

Und hast du nicht geseh’n: Von der Cisco-Tochter Webex kam die Pressemitteilung “Online gegen Vulkanasche: Sechs Tipps für den Einsatz von Webkonferenzen”, Easynet rückte seine Videokonferenz-Angebote unter der Überschrift “Telepresence statt Flugausfall” ins rechte Licht, und Polycom meldete: “Unterbrechung des Flugverkehrs sorgt für Aufwind bei der Nutzung von Videokonferenz- und Telepresence-Lösungen” – um nur einige Pressetexte zu nennen. Der Carrier Telefónica hatte immerhin die nette Idee, seinen Firmenkunden während des Flugverbots kostenlose Telepresence-Services anzubieten.

Die einschlägigen Anbieter werden ab sofort sicherlich nicht mehr nur die Zeit- und Kostenersparnis oder Green IT – den Beitrag zum Umweltschutz durch weniger Dienstreisen – in den Mittelpunkt rücken. Per Eruption hinzugekommen ist nun das Thema “Business Continuity”, also der unterbrechungsfreie Geschäftsbetrieb in Krisenzeiten. Und diese Anbieter haben damit schlicht und einfach recht. Allerdings ist die IT-Industrie nach wie vor gefordert, ihren eigenen CO2-Ausstoß deutlich unter den der Luftfahrtindustrie zu drücken – laut der erwähnten Gartner-Meldung lagen beide Industriezweige 2007 nämlich noch gleichauf.

Man darf hoffen, dass die bedrohliche Aschewolke den Unternehmen als Weckruf dient, künftig tatsächlich stärker auf umweltfreundliche Web-Collaboration- und Video-Conferencing-Technik zu setzen. Dann hätte das isländische Rauchzeichen wenigstens einen langfristigen Nutzen – für die Unternehmen und für die Umwelt.

Green IT im Kampf gegen den inneren Schweinehund

Das Thema Energiesparen hat den unangenehmen Beigeschmack des Verzichts: Häufig soll man, um die Umwelt zu schonen, auf etwas verzichten – auf Flugreisen, auf Bequemlichkeit, auf den 90-Grad-Waschgang – und zur Minderung des Klimawandels Zeitaufwand, Mühen und Umwege in Kauf nehmen. Weil im Menschen aber ein kleiner Egoist wohnt, macht er so etwas nicht gern. Dann kommt der kleine Egoist – erfindungs- und fintenreich, wie er ist – auf allerlei Ideen: Verschieben (”Ich kann ja nächste Woche noch…”), Vergessen (”Was wollte ich gleich nächste Woche noch…?”), Verniedlichen (”Das mit dem Klimawandel ist doch nur halb so schlimm. Lasst Palmen wachsen!”) oder auch Leugnen (”Das mit dem Klimawandel – da kann doch der Mensch gar nicht dran schuld sein!”).
Deshalb habe ich es in meinen Green-IT-Artikeln in der LANline immer befürwortet, wenn die Verfechter umweltfreundlicher Technik eifrig mit der Finanzkeule zugeschlagen haben: “Stromsparen ist nicht nur gut für die Umwelt, es senkt auch die Energiekosten.” Man muss die Zielgruppe eben da packen, wo man sie erwischt, und das ist oft genug am Geldbeutel – insbesondere wenn man den Blick auf die Betriebs- und Klimatisierungskosten eines ausgewachsenen Rechenzentrums richtet, denn da kommt ganz schön was zusammen.
Wie erreicht man nun IT-Anwender, die für das Kostenargument nicht zugänglich sind? Zum Beispiel Anwender in Unternehmen, die ihren Strombedarf schließlich nicht selbst bezahlen müssen? Hier helfen, wie ich in zahlreichen Gesprächen mit IT-Anbietern und IT-Verantwortlichen gelernt habe, keine allgemeinen Appelle, sondern erstens technische Maßnahmen wie zentral vorgegebene Power-Settings sowie zweitens gezielte Awareness- und Motivationsaktionen. Denn auch ökologisch uninteressierte Mitarbeiter muss man da packen, wo man sie erwischt: Und das ist oft genug bei der Gier (nach Lob, Anerkennung, Incentives, Gratifikationen etc.). Erst wenn der richtige Weg einmal eingeschlagen ist, kann man sich auf den psychologischen Mechanismus der Konsistenz verlassen: Nimmt sich der Mensch einmal als ökologisch denkendes und handelndes Individuum wahr, neigt er dazu, dieser Selbstdefinition auch weiterhin treu zu bleiben.
Wie aber geht man mit Privatanwendern um, denen die paar Euro Stromkosten egal sind, und an denen auch die Green-IT-Debatte spurlos vorübergegangen ist? Mit dieser Frage haben sich der LANline-Cartoonist Wolfgang Traub und ich befasst. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist eine Comic-Geschichte, die wir als PowerPoint-Präsentation auf Slideshare öffentlich zugänglich gemacht haben.

Das Comic zielt auf ökologisch eher uninteressierte Consumer. Es handelt von einer genervten PC-Benutzerin, die ein paar recht drastisch überzeichnete Stromkonzern-Bonzen dabei belauscht, wie sie über die dummen PC-User herziehen, die vorhandene Energiesparoptionen nicht nutzen.
Denn wenn bei manchen Anwendern schon das ökologische Gewissen nicht genug Antrieb zum Energiesparen liefert, dann vielleicht wenigstens der Gedanke: “Diesen Leuten will ich mein Geld aber nun nicht hinterherschmeißen!”
Das Energiespar-Comic “7 Klicks und 1 OK” finden Sie hier.  Viel Spaß beim Lesen! Ich freue mich wie imer über Kommentare und Anregungen.

Ein smarter Planet braucht smartere Konferenzen

IT-Gigant IBM hat auf der Partner- und Kundenkonferenz “Pulse” seiner Management-Software-Division Tivoli die Notwendigkeit eines intelligenten, IT-gestützten Gebäude-Managements – und damit die hauseigene Management-Lösung Maximo – ins Rampenlicht gerückt. Denn nicht Autos, sondern Gebäude seien die größten Treibhausgasschleudern, betonte Tivoli-Chef Al Zollar in seiner Keynote.

Laut IBMs Angaben sind Gebäude in den USA für 70 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich – der deutsche Bauingenieur seufzt an dieser Stelle, runzelt die Stirn und nickt seinem Sitznachbarn wissend zu. Gebäude seien zudem die Quelle von 38 Prozent des CO2-Ausstoßes, im dicht besiedelten Stadtgebiet von New York City sogar von 80 Prozent. Der Grund dafür ist Ineffizienz bei der Versorgung mit Wärme, Strom und Wasser (wenn wir ineffizente Bauweisen einmal großzügig außen vor lassen).

IBM hat deshalb – mit festem Blick auf das IP-basierte Facility-Management, wie manche anderen Vertreter der IT-Branche auch – das Einziehen eines Intelligence-Layers, also einer IT-gestützten Steuerungsebene, in die Gebäude gefordert. Dazu hat IBM seine Partnerschaft mit Johnson Controls ausgebaut sowie eine neue Kooperation mit Druckerhersteller Ricoh für ein umweltfreundlicheres Drucker-Management vorgestellt.

Green IT kann in der Tat auch und gerade außerhalb des Rechenzentrums einen wichtigen Beitrag für Energieersparnis und Umweltschutz – oder, wie IBM es nennt: für einen “smarteren Planeten” – leisten. Das hat zum Beispiel der WWF-Experte (World Wildlife Fund) Dennis Pamlin bereits Anfang 2008 auf einem Berliner Green-IT-Gipfel deutlich hervorgehoben.

Eine beachtliche Ironie liegt aber in der Tatsache, dass Big Blue für smartere Gebäude ausgerechnet an einer Stätte exzessiver Energieverschwendung plädierte: Die Pulse fand in Las Vegas statt, einer künstlichen Hotel-, Konferenz- und Glücksspiel-Oase mitten in der Wüste von Nevada. Man darf spekulieren, was mehr Treibhausgase verursacht: die typisch amerikanische Klimatisierung (aber bitte höchstens 16 Grad!) tagsüber oder nachts die flächendeckende Christbaumbeleuchtung jener Stadt, die sich als das Glücksspiel-Mekka der Welt betrachtet.

IBM veröffentlichte als Beleg für die Effizienz der Maximo-Software einen Video-Clip über deren Einsatz im Venetian Resort Hotel in Las Vegas. Der Film zeigt aber in erster Linie die maßlose Energie- und Ressourcen-Verschwendung der gigantomanischen Wüstenhotels: Las Vegas, so heißt es im Video-Clip, sei der Standort von 17 der 20 größten Hotels in den USA, und man empfange jährlich 37 Millionen Gäste. Alles im Clip natürlich üppig illustriert mit jenen Bildern, wie man sie von Las Vegas zur Genüge kennt: ein Haufen Hotels, die wie lebensgroße Werbetafeln ihrer selbst quietschbunt illuminiert in den Nachthimmel leuchten.

 

Im Sinne des Umweltschutzes kann man der IT-Branche nur möglichst viel Erfolg wünschen bei ihrem Unterfangen, durch intelligenten IT-Einsatz effizientere Rechenzentren, Infrastrukturen, Verkehrsleitsysteme, Versorgungseinrichtungen, Gebäude, Hotels und meinetwegen sogar einen smarteren Planeten zu ermöglichen. Aber man darf sich nicht nur auf IT verlassen.Was die IBM Pulse auch zeigte, ist die Notwendigkeit smarterer Kundenveranstaltungen. Warum muss man Tausende von Kunden, Partnern und Mitarbeitern aus aller Welt nach Las Vegas einfliegen, um ihnen mitten in der Wüste mehr Energieeffizienz zu predigen? Ist IBM hier der sprichwörtliche Prediger in der Wüste oder nicht vielmehr dessen Parodie?Gerade ein IT-Konzern sollte Vorreiter sein bei dem Unterfangen, solche Konferenzen mittels IT-Einsatz (Videokonferenzen, Webcasts, Podcasts etc.) zu virtualisieren. Ja, ich weiß: Natürlich will man den lieben Kunden auch persönlich die Hände schütteln können – aber vielleicht täte es ja auch ein mittels Videokonferenzen und gestreamter Keynotes virtuell verknüpfter Verbund aus Regionalkonferenzen, zu denen zumindest die meisten Teilnehmer ohne Flugzeug anreisen können?

Nächste Woche treffe ich Leute von IBM, da kann ich das ja mal vorschlagen. Leider treffe ich sie ausgerechnet auf der CeBIT, der wohl umweltschädlichsten, weil ebenfalls gigantomanischen Monster-IT-Messe im “schönen” Hannover/Laatzen.

Aber vielleicht wird unser Planet ja eines Tages so smart, dass wir auf den Veranstaltungs-Dinosaurier CeBIT verzichten können.